Hexenschuss, Bandscheibenvorfall
oder Wirbelverdrehung sind mittlerweile fast jedem ein Begriff, denn heutzutage
sind Dorsopathien - also Krankheiten, die die Knochen, Gelenke, Muskeln, Nerven
und das Bindegewerbe des Rückens sowie der Wirbelsäule betreffen können – in
der Schweiz, in Deutschland, Österreich und anderen Ländern beinahe eine
Epidemie und von enormer gesundheitsökonomischer Bedeutung. Mindestens einmal
im Leben haben mehr als Dreiviertel der Menschen Rückenschmerzen. Ein
niederschmetternder Fakt.
SETTE Hautestyle hat Mirko A.
Cortese, einen erfahrenen Naturarzt und Therapeut, um Rat gefragt: Was sind die
Gründe für die Häufigkeit von Rückenproblemen, wie kann man diesen vorbeugen
und wie sie bekämpfen? Mirko A. Cortese führt seit 1993 seine eigene Praxis mit
den Fachrichtungen Bewegungsapparat, Gewichtsprobleme, Betriebsgesundheit und
ist Entwickler diverser Hilfsmittel für eine korrekte und gesunde Körperhaltung.
Grundsätzliches
Mehrere Millionen Krankheitstage
gehen im Allgemeinen auf das Konto von Nackenverspannungen, Rückenschmerzen,
Kopfschmerzen, Bandscheibenvorfällen oder Hexenschüssen, die häufig sogar zu
einer chronischen Erscheinung werden. Fatal, denn die Folgekosten durch
Produktivitätsverluste bei chronischen Rückenschmerzen liegen jährlich allein
in Deutschland zwischen 9 und 26 Milliarden Euro, wie einst ein Gutachten der
Bertelmann Stiftung und des Beratungsunternehmens Booz & Company belegte.
Was
sind die Gründe für dieses Problem?
Bewegung
Durchschnittlich
verbringt der Mensch jeden Tag 7 Stunden in einer sitzenden Position,
klassische Bürokräfte schaffen es locker auf 9,6 Stunden. Schlussendlich kommt
auch noch der Schlaf hinzu, den wir vorrangig im Liegen vornehmen.
Die
Gefahr einer muskulären Verkrümmung sowie einer in sich zusammenfallenden
Haltung ist also sehr groß, da der menschliche Bewegungsapparat nicht für
dauerhaftes Liegen oder Sitzen ausgelegt ist. Die Folge sind schwere
Haltungsschäden und unangenehme Schmerzen.
Psyche
Wie
eine Studie der Bertelmann Stiftung belegt, klagen in Deutschland mehr als 40%
der Arbeitnehmer über zu hohen Arbeitsdruck. Obwohl zwar jeder Mensch mit
diesem Druck anders umgeht, empfindet der Großteil ihn als riesige Last.
Zerbricht man unter dieser Last, sind oft Depressionen, Bluthochdruck, aber
auch Kopf- und Rückenschmerzen die Folge.
Körperhaltung
Der wichtigste Faktor ist laut Mirko A. Cortese allerdings eine
falsche oder ungünstige Körperhaltung. Andauernde Zwangshaltungen am Arbeitsplatz
oder schwere, körperliche Arbeit sind die hauptsächlichen Ursachen von
Rückenschmerzen. Oft vergisst man außerdem die falschen Haltungsmuster - also
eine schlechte Haltung nicht aufgrund eines Schadens, sondern aufgrund einer
Gewohnheit. Bei Kindern oder Büroangestellten ist beispielsweise oft eine solche
angewohnte, in sich fallende Haltung zu erkennen.
Auch
das Tragen schwerer Lasten, falsche Sitzmöbel und Matratzen, falsches Schuhwerk
und Übergewicht können Auslöser von Rückenbeschwerden sein. Bleibt dann noch
ein ausgleichender Sport aus, sind Haltungsschäden vorprogrammiert. In einigen
Fällen verbirgt sich hinter der Fehlhaltung allerdings auch ein orthopädisches
Problem. Durch beispielsweise unterschiedliche Beinlängen oder einen
Beckenschiefstand wird die Wirbelsäule dazu gezwungen, die Ungleichheit durch
eine Krümmung auszugleichen.
Welche Haltungsschäden gibt es?
Skoliose
Eine Skoliose beschreibt die Seitabweichung
der Wirbelsäule von der Längsachse. Da die Wirbelsäule im Normal nicht seitlich
geneigt ist, sind diese Krümmungen immer ein Zeichen einer Fehlhaltung oder
orthopädischen Erkrankung. Schaut man einem Betroffenen auf den Rücken, ist ein
seitlich verschobener Wirbelverlauf zu erkennen, wobei sich einzelne
Wirbelkörper in ihrer Achse drehen und im Bereich der Brustwirbelsäule zu einem
Rippenbuckel führen können. Oft liegt einer Skoliose die unterschiedliche
Beinlänge zu Grunde, wobei der daraus resultierende Schiefstand der Hüfte die
ausgleichende Krümmung der Wirbelsäule bewirkt. Jedoch können auch dauerhafte
Fehlbelastungen durch beispielsweise einseitiges Tragen schwerer Lasten über
Verspannungen zu einer Skoliose führen.
Rundrücken
Unter einem Rundrücken versteht man die extreme Krümmung der Wirbelsäule
im Brustbereich (Brustkyphose). Der Kopf und die Schultern neigen stark nach
vor. Oft sind vor allem Jungs davon betroffen, wobei die Adoleszentenkyphose (Morbus
Scheuermann Krankheit) als häufiger Grund dafür gilt und von einer genetisch
bedingten Stoffwechselstörung sowie Bewegungsmangel hervorgerufen wird. Bei
dieser Krankheit handelt es sich um eine Entwicklungsstörung in der letzten
Phase des Größenwachstums. Die starke Neigung der Wirbelkörper kann im
schlimmsten Falle sogar zur Einengung der Lunge und damit verbundenen
Atemproblemen führen.
Hohlkreuz
Als Hohlkreuz wird die verstärkte einwärts gerichtete Krümmung der
Wirbelsäule am unteren Rücken bezeichnet (Lordose). Ist sie sehr stark
ausgeprägt, kann die Funktion der Bauchorgane beeinträchtigt werden. Ähnlich
wie bei anderen Fehlhaltungen, ist auch hier der frühzeitige Beginn der
Krankengymnastik, am besten noch während des Wachstums, die wichtigste Maßnahme.
Ein Hohlkreuz kann auch in Kombination mit einem Rundrücken auftreten
und wird dann als Hohlrundrücken bezeichnet. Das Gegenteil davon ist wiederum
der Flachrücken, bei dem die natürliche Doppel-S-Form der Wirbelsäule kaum noch
zu erkennen ist.
Wichtige Grundregeln für einen gesunden Rücken
·
Sitzen Sie generell so wenig wie möglich. Beim
Sitzen sollte jedoch auf eine aufrechte Haltung geachtet werden. Um ständige
Dauerbelastungen zu vermeiden, wechseln Sie Ihre Sitzposition und
gegebenenfalls den Stuhl regelmäßig.
·
Bewegen Sie sich. Menschen, die viel in einer
sitzenden Position arbeiten, sollten regelmäßige Bewegungspausen einlegen.
·
Achten Sie auf einen rückenfreundlichen
Arbeitsplatz. Schreibtisch, Spülbecken, Bügelbrett und Co. sollten sich immer
in einer angenehmen Höhe befinden, Monitore auf Augenhöhe. Leicht geneigte
Tische sind gesünder als flach gestellte. Entwickeln Sie Techniken und lehnen
Sie sich so oft wie möglich gerade an eine Wand oder verwenden Sie Hilfsmittel
wie beispielsweise BackGym. Dabei handelt es sich um eine Art Weste, die eine
definierte Zugkraft auf den Schultergürtel ausübt und die Wirbelsäule so
natürlich aufrichtet.
·
Betreiben Sie rückenfreundliche Sportarten,
bestenfalls Schwimmen, da die Muskulatur dabei ohne jegliche
Wirbelsäulenbelastung gekräftigt wird. Fahrradfahren mit aufrechtem Lenker und
gut gefedertem Sattel sowie Joggen in gut gedämpften Schuhen und auf weichem
Boden sind ebenfalls sehr empfehlenswert.
·
Vorsicht beim Heben schwerer Lasten.
Gegenstände sollten nah am Körper und bei geradem Rücken aus den Beinen heraus
gehoben werden. Die Belastung muss dabei gleichmäßig auf beide Arme verteilt sein.
Scheuen Sie sich nicht davor, um Hilfe zu bitten und benutzen Sie
gegebenenfalls einen Rucksack, um Lasten gleichmäßig zu verteilen. Vermeiden
Sie Drehbewegungen der Wirbelsäule beim Tragen und achten Sie außerdem darauf,
dass Kinder ihren Schulranzen korrekt eingestellt haben.
·
Gönnen Sie Ihrem Rücken Ruhepausen. Das
Hinsetzen genügt dafür nicht, denn nur beim flachen Liegen auf dem Rücken ist
die Wirbelsäule vollkommen entspannt. Eine Rolle im Nacken, im Kreuz oder in
der Kniebeuge ist zusätzlich angenehm.
·
Falls Sie Tätigkeiten mit erheblicher Belastung
des Rückens planen, bereiten Sie sich durch entsprechende Übungen darauf vor.
Ein Kaltstart beim Schneeschaufeln oder der Gartenarbeit kann Verletzungen und
Schmerzen zur Folge haben.
·
Kontrollieren Sie Ihr Gewicht. Übergewicht
zählt zu den größten Risikofaktoren für Rückenleiden.
·
Erlernen Sie Entspannungstechniken. Sehr
empfehlenswert sind die Progressive Muskel- Relaxation nach Jacobsen sowie
Autogenes Training.
·
Trainieren Sie Ihre Kraft. Stärken Sie Ihre
stützende Rücken- und Bauchmuskulatur durch Kraft-Workouts in beispielsweise
einem Fitnessstudio.
Schlusswort: Eine aufrechte und korrekte Haltung ist nicht nur für die Gesundheit von Vorteil, sondern verbessert auch die Optik und die selbstbewusste Ausstrahlung deutlich.
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